Zur Stärkung der kommunalen Gesundheitsversorgung

Zur Stärkung der kommunalen Gesundheitsversorgung

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) und der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG) zum Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune vom 15. Juni 2023.

Gesundheitliche Chancengleichheit ist ein immer noch nicht erreichtes Ziel des deutschen Gesundheitswesens. Die Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) und die Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG) sehen Gesundheitskioske, Primärversor­gungszentren und Gesundheitsregionen als eine Chance, die Gesundheit besonders vulnerabler Gruppen gezielt regional zu fördern. Sie können einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung chancengerechter, gesunder Lebenswelten leisten.

In den folgenden Ausführungen gehen die DGSMP und die DVSG insbesondere auf die konzeptionelle Ausgestaltung der Gesundheitskioske ein. Die beiden Fachgesellschaften begrüßen den stärkeren Fokus auf Beratung sowie Prävention und Gesundheitsförde­rung im Aufgabenprofil der Gesundheitskioske im Vergleich zu den Eckpunkten für die Gesetzesinitiative. Jedoch passt das dargelegte Aufgabenportfolio nicht zu der vorgesehenen monoprofessionellen Besetzung der
Leitung der Gesundheitskioske durch eine Pflegefach­kraft. Eine bedarfs- und kompetenzbasierte personelle Ausstattung ist sicherzustellen, beispielsweise mit Fachkräften aus den Bereichen der Sozialen Arbeit, Pflege oder Gesund­heitswissenschaften. Darüber hinaus bedarf es einer weiteren Konkretisierung der Angebote und der Vernetzung mit vorhandenen Strukturen und Partner*innen auf kommunaler Ebene.

Daher schlagen die DGSMP und die DVSG vor, die folgenden Punkte im Gesetzgebungsverfahren aufzugreifen:

  • Die Beratungs- und Unterstützungsangebote des Gesundheitskiosks sollten sich auf das gesamte Versorgungsspektrum der Gesundheitsförderung, Prävention und Behandlung beziehen. Dies umfasst neben Angeboten mit Bezug zur medizinischen Behandlung auch die Beratung zu Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe, Pflege, Verhaltens- und Verhältnisprävention und zu psychosozialen Unterstützungsangeboten.
  • Das beschriebene Leistungsspektrum der Gesundheitskioske sowie die multiplen Problem- und Bedarfslagen der Zielgruppen erfordern Kompetenzen verschiedener Berufsgruppen. Dies ist durch ein multiprofessionelles Team mit Kompetenzen mindestens in den Fachbereichen Pflege und Soziale Arbeit sicherzustellen. Die Beteiligung weiterer Professionen wie z. B. Gesundheitswissenschaftler*innen und andere Gesundheits- und Sozialberufe erscheint sinnvoll. Die Leitung muss hierbei nicht zwangsläufig durch Pflegefachkräfte erfolgen, vielmehr sind Verantwortungs­bereiche für verschiedene Aufgaben je nach Zusammensetzung des multiprofessionellen Teams kompetenzbezogen zuzuordnen.
  • Da vulnerable Zielgruppen insbesondere durch verhältnispräventive und gesundheitsfördernde Angebote in Lebenswelten erreicht werden können, ist die Vernetzungsaufgabe der Gesundheitskioske im Sinne intersektoraler und integrierter kommunaler Strategien sowie Präventionsketten zu präzisieren.
  • Die Ausgestaltung der Gesundheitskioske sollte sich konsequent an Lebenslagen und Lebenssituationen und damit verbundenen spezifischen Bedarfen der Menschen vor Ort orientieren. Hierfür sollten kleinräumige Daten z. B. der Gesundheits- und Sozial­berichterstattung und Empfehlungen beispielsweise von Landesgremien nach § 90a, Gesundheitskonferenzen, Senioren- sowie Kinder- und Jugendbeiräte berücksichtigt werden. Angebote sollten partizipativ mit den Akteur*innen sowie der Bevölkerung vor Ort entwickelt werden.
  • Im Rahmen einer Evaluation sollten nicht nur Wirkungen auf Ebene einzelner Gesundheitskioske betrachtet werden (z. B. Veränderungen in Gesundheitskompe­tenzen, Nutzungsverhalten und Zufriedenheit sowie Inanspruchnahme weiter­führender Leistungen). Vielmehr sollte auch eine übergreifende, bundesweit vergleichbare Auswertung von
    Wirkungen und Prozessen möglich sein. Auf ihrer Basis könnten künftig Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung von Gesundheitskiosken abgeleitet und entwickelt werden. Hier ist eine unabhängige Evaluation zu beauftragen; diese Beauftragung könnte eine Aufgabe der einzubindenden Öffentlichen Gesundheitsdienste sein.
  • Der in der Begründung des Gesetzesvorschlags enthaltene Aspekt, dass Gesundheits­kioske sowohl neu errichtet, als auch in bereits bestehenden Räumlichkeiten und Angeboten (z. B. der Kommune) integriert oder als mobiles Leistungsangebot ausgestaltet werden können, ist in den Gesetzestext explizit aufzunehmen. Dies ermöglicht und befördert eine effiziente Anbindung an bestehende Beratungs­strukturen und Präventionsangebote, beispielsweise bei Gesundheitsämtern, Bildungseinrichtungen, im Rahmen von lokalen Präventionsketten sowie an bestehenden Stellen zur Beratung von Menschen in speziellen Lebenslagen (insbesondere Pflegebedürftigkeit, Migration, Flucht, Beeinträchtigungen, chronische Erkrankungen) und mit besonderen Bedarfen zur Förderung der Teilhabe.
  • Darüber hinaus sollte bei der Finanzierung von Gesundheitskioskenauch Berücksichtigung finden, dass für belastete Kommunen, die einen besonderen Bedarf an Gesundheitskiosken haben, eine Unterstützung aus öffentlichen Mitteln (z. B. seitens der Länder) zu gewährleisten ist.

Die DGSMP und die DVSG stellen dem Bundesministerium für Gesundheit sowie dem Gesundheitsausschuss des Bundestages und des Bundesrates ergänzend konkrete Änderungsvorschläge für den Gesetzentwurf zur Verfügung.

Berlin, 12. Dezember 2023
Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e. V. und
Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e. V.

gepostet von DGSMP veröffentlicht am 12. Dezember 2023